Noch ist es nur ein Plan, wenn auch ein kühner. Noch geht es um die große Linie und nicht um Details. Noch geht es ums Träumen und nicht ums Bezahlen. Und doch: Der Entwicklungsplan für die Bayreuther Museen, den Kulturreferent Benedikt Stegmayer am Montag dem Kulturausschuss vorgelegt hat, ist spannend, erfrischend – und wichtig. Deshalb und weil es eben noch nicht ums Bezahlen ging, stimmte der Ausschuss am Ende für dieses Eckpunktekonzept. Ohne damit schon einzelne Vorhaben konkret beschlossen zu haben.
Es geht dabei um zwei Schwerpunktbereiche – das Museumsquartier am Hofgarten und das Kulturquartier im Gassenviertel.
Museumsquartier am Hofgarten
Darin enthalten ist das Richard Wagner Museums, das Franz-Liszt-Museum (gegründet 1993) und das Jean-Paul-Museum (2013 umgestaltet). Neben dem Anwesen des Wagner Museums steht das Chamberlain-Haus. Richard Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain war lange Zeit Ehrenbürger der Stadt, aber eben auch „eine der folgenreichsten Personen der Bayreuther Zeitgeschichte und einer der wichtigsten intellektuellen Wegbereiter des nationalsozialistischen Rassismus“, wie es in der Museumsvorlage heißt. Kulturreferent Benedikt Stegmayer: „Die Aufarbeitung seines Erbes bildet bis heute eine Fehlstelle in der Gedenkkultur der Stadt Bayreuth. Diesem Mangel soll an diesem Ort begegnet werden.“
Die Pläne für das Chamberlain-Haus
Im Hochparterre soll ein NS-Dokumentationszentrum Bayreuth mit folgenden Inhalten entstehen, das über folgende Themenschwerpunkte informiert:
– Chamberlain, antisemitische Kultur- und Rassentheorie und ideologischer Wagnerianismus, Chamberlain und Hitler.
– Jüdisches Leben in Bayreuth vor 1933
– Judenverfolgung in Bayreuth im Dritten Reich
– Bayreuth und die Festspiele im Dritten Reich (Winifred Wagner, Hans Schemm et al., Modell Gauforum, Stadtarchitektur, Festspiele und NS-Propaganda, KZ Flossenbürg Außenstelle Bayreuth)
Im Obergeschoss / Dachgeschoss soll die Chamberlain-Bibliothek präsentiert und auch für Forschung zugänglich gemacht werden. Wichtig: Eine kuratorische Aufbereitung muss vorgenommen werden, die Besichtigung auf Wunsch soll ermöglicht werden. Im Dachgeschoss können Lese- und Arbeitsplätze eingerichtet werden, ggf. ist dieses überdies als Seminarraum nutzbar zu machen.
Insgesamt ist das denkmalgeschützte Chamberlain-Haus laut Stadt „in einem sehr schlechten, dringend sanierungsbedürftigen Zustand.“
Und das Jean-Paul-Museum?
Das befindet sich aktuell im Hochparterre des Chamberlain-Hauses und könnte, wenn die Pläne der Stadt aufgehen, umziehen in das Schwabacherhaus, Friedrichstraße 5, das Sterbehaus Jean Pauls mit historischem Garten. Im Erdgeschoss befand sich eine Apotheke, jedoch steht dieses Ladenlokal seit Jahren leer. Die Möglichkeit der Unterbringung des Museums in diesen Räumen wurde bereits im Zuge der Neugestaltung 2012/13 geprüft und für möglich befunden. Stegmayer in seiner Museums-Vorlage: „Da sich das Haus in Privatbesitz befindet, müsste die Stadt für eine Nutzung der Räume Miete zahlen. Der Umzug wäre mit einer weiteren, zumindest teilweisen Neugestaltung des Museums nach relativ kurzer Zeit verbunden. Für diese Neugestaltung sind daher ‒ je nach Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme ‒ keine Zuschüsse zu erwarten.“
Und das Kulturamt?
Das hat aktuell noch Verwaltungsräume im Obergeschoss des Kulturamts. Stegmayers Wunsch ist es aber ohnehin, das Kulturamt näher ans Kulturreferat heranzuholen, das ja in der Rathaus-Zweigstelle Schlossterrassen untergebracht ist. Nach dem Auszug soll dann das Chamberlain-Haus zunächst komplett saniert werden. Außerdem muss es barrierefrei zugänglich gemacht werden.
Das Liszt-Museum
Ebenfalls an der Wahnfriedstraße befindet sich das Franz-Liszt-Museum. Die Museumspräsentation im sanierungsbedürftigen Sterbehaus des Komponisten stammt laut Stegmayer aus dem Jahr 1993, ist „nicht mehr zeitgemäß“ und soll erneuert werden. Zitat aus dem Vorbericht: „Ein entsprechender Beschluss des Stadtrats mit Planungsauftrag zur Museums-Neugestaltung wurde 2017 gefasst, demnach gibt es bereits Planungen durch die Verwaltung. Das Museum befindet sich aktuell im Hochparterre, das Obergeschoss des Gebäudes steht leer.“ Geht es nach den Museumsverantwortlichen, soll das Museum in Zukunft auf das Obergeschoss ausgedehnt werden, Im Hochparterre soll die inhaltlich, kuratorisch und gestalterisch erneuerte Dauerausstellung zu Leben und Werk Liszts auf der Grundlage der ehemaligen Sammlung Ernst Burger realisiert werden.
Im Obergeschoss soll die Museumspädagogik für das Museumsquartier am Hofgarten (Richard-Wagner-Museum, Franz-Liszt-Museum, NS-Dokumentationszentrum Bayreuth) untergebracht sein. Außerdem kann hier eine multimediale Vermittlung von Person und Musik Liszts stattfinden (Liszt Superstar, Liszt im Film, Liszt interaktiv, Hörplätze). Folge: Dafür ist eine komplette Gebäudesanierung mit barrierefreier Erschließung bis zum Obergeschoss, die klimatische und konservatorische Ertüchtigung für Museumszwecke sowie die Erneuerung der Haustechnik notwendig.
Kulturquartier im Gassenviertel
Das Gassenviertel wird kulturell geprägt durch das Kunstmuseum und das Historische Museum. Mittendrin liegt das Gebäude Kämmereigasse Neuneinhalb, das als Kulturhaus genutzt wird und entsprechend saniert werden soll.
Das Historische Museum, gegründet 1894, ist das älteste Museum der Stadt Bayreuth und befindet sich seit 1996 in der Alten Lateinschule am Kirchplatz, in direkter Nachbarschaft zur Stadtkirche. Seine vielfältige Sammlung dokumentiert die Kultur- und Kunstgeschichte der Festspielstadt und ihrer Region vom Mittelalter bis in die Gegenwart.
Die aktuell eingeschränkte Ausstellungsfläche bedingt Einschränkungen in der Präsentation vor allem der jüngeren Stadtgeschichte. Eine Erweiterung wäre denkbar über das Gebäude Brautgasse 2, das aber (noch) nicht im Besitz der Stadt ist. Mit diesem Gebäude, so Stegmayer, würde der Gebäudekomplex um den Museumshof, dem künftigen Mittelpunkt eines Kulturquartiers innerhalb des Gassenviertels, zu einem geschlossenen Ensemble.
Städtebaulich würde sich dadurch eine neue Kultur-Achse von der Maximilianstraße mit dem Kunstmuseum, über die Kämmereigasse mit dem Kulturhaus Neuneinhalb bis hin zum Kirchplatz mit dem Historischen Museum ergeben. Als zentraler Platz wäre der Museumshof idealerweise nach allen Seiten offen und könnte von allen Kulturstätten genutzt und thematisch ganz neu bespielt werden.
Das Kulturhaus Neuneinhalb soll grundlegend erneuert und zu einem zentralen, multifunktionalen Kulturort in Bayreuth werden. Es stellt räumlich das Bindeglied zwischen Historischem Museum und Kunstmuseum dar und kann eine wichtige Rolle als Ergänzung des Kulturquartiers im Gassenviertel spielen. Entgegen der bisherigen Planungen wird eine stärkere Öffnung des Museumshofs geplant. Insbesondere soll hier ein Cafébetrieb durch die Betreiber des Neuneinhalb zu einer weiteren Belebung und Attraktivitätssteigerung des Hofs und damit des Kulturquartiers führen.
Das Kunstmuseum im Alten Rathaus, gegründet 1999, zeigt Wechselausstellungen mit dem Schwerpunkt auf der Kunst des 20. Jahrhunderts und beherbergt diverse Sammlungen insbesondere aus den Bereichen Grafik und Zeichnung. Das Problem: Das Museum wird vom Markt aus kaum wahrgenommen, weil der Eingang in der Brautgasse liegt. Die einzige Möglichkeit, das Museum zu erweitern und, irgendwann einmal, einen Zugang über die Maxstraße zu ermöglichen, wäre laut Stegmayer ein Ankauf des derzeit angemieteten Hauses Maxstraße 35, das derzeit schon angemietet wird für Museumszwecke.
Das Kulturquartier im Gassenviertel liegt in direkter Anbindung an die Stadtkirche und in seinem räumlichen Kontext befinden sich noch die Kulturorte Urweltmuseum Oberfranken, Steingraeber-Haus und perspektivisch Jean-Paul-Museum im Schwabacherhaus, Operla sowie die im Entstehen begriffene Kulturbühne Reichshof.
Und das sagen die Unabhängigen zu dem Konzept
Am Ende stimmte der Ausschuss einstimmig für das Konzept. Wir Unabhängige sehen das als wichtige Investition in die Zukunft an. Stadtrat Gert-Dieter Meier: „Die Museumslandschaft in Bayreuth ist vielfältig und bunt. Und wenn man dann noch die Schlösser und das Markgräfliche Opernhaus einbezieht, ein großer Wurf für eine Stadt dieser Größenordnung. Damit wird Bayreuth eigentlich dem Ruf der Kulturstadt gerecht. Eigentlich deshalb, weil das bisherige Museumskonzept Schwächen – oder sagen wir besser: Lücken hat. Kulturreferent Benedikt Stegmayer spricht völlig zurecht von einer „Fehlstelle in der Gedenkkultur der Stadt Bayreuth“, weil Person und Wirken des früheren Ehrenbürgers der Stadt, Houston Stewart Chamberlain, bislang nie kritisch aufgearbeitet wurde. Das kann gerade Bayreuth mit seiner Geschichte Bayreuth nicht länger hinnehmen. Und wenn in dem Konzept ein NS-Dokumentationszentrum vorgeschlagen wird, in dem die dunklen Seiten der Bayreuther Geschichte umfassend wissenschaftlich und museumspädagogisch aufbereitet und dokumentiert werden, dann begrüßen wir das ausdrücklich.
Insgesamt begrüße ich ausdrücklich auch die Maßnahmen für ein attraktives Kulturquartier im Gassenviertel. Insbesondere die Öffnung des Museumshofes wird einen neuen Erlebnisraum auch für Kleinkunst aller Art schaffen. Das Kulturhaus, der Museumshof mit Café und die Nähe zum Kunstmuseum bildet auch eine neue Chance, um vor allem ein jüngeres Publikum anzusprechen, das wir in vielen unserer Museen-zumindest gefühlt – viel zu selten antreffen.
Mein Fazit: Ein schlüssiges Konzept. Eine Zukunftsperspektive, die lange schon fällig war. Die nun aber, endlich, auf dem Tisch liegt. Ein Konzept, an dem man noch wird feilen, über das man noch viel reden muss. Ein Konzept, das aber endlich auch die dunklen Seiten der Bayreuther Geschichte aufarbeiten will. Dafür den Herren Stegmayer, Friedrich und all den anderen Beteiligten ein herzliches Dankeschön. Weil es uns die großen Linien aufzeigt, die Synergien, die Entwicklungschancen. Anstatt sich im Kleinklein zu ergehen und heute hier und morgen da zu sanieren.
Die große Frage wird sein, wie man all diese guten Ansätze finanzieren kann. Das alles werden wir, wenn überhaupt, nur mittel- bis langfristig schultern können. Aber das macht ja nichts. Jetzt liegt zumindest mal eine schlüssiges Papier auf dem Tisch, auf dem alle weiteren Schritte, Diskussionen und Beschlüsse aufbauen können.“