Die ganztägige Haushaltsberatung des Bayreuther Stadtrats war ein Lehrstück der besonderen Art. Dass die Sitzung lief, wie sie lief, ist zuallererst der amtierenden Oberbürgermeisterin anzulasten. Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft) nämlich hat – ein echtes Novum in der Stadtratsgeschichte – im Vorfeld der Haushaltsberatungen einen Mehrheitsbeschluss des Stadtrats einfach nicht vollzogen. Und das auch eingeräumt. Dieser Ende Dezember gefasste Beschluss hatte zum Inhalt, dass die Stadt in den Haushalt 2020 Baumaßnahmen sowie den Kauf von Grundstücken und Gebäuden nur bis zu einem Volumen von rund 25 Millionen Euro einstellen solle. Hintergrund: In den zurückliegenden Jahren gab es Jahr für Jahr Ansätze in der Größenordnung 65 Millionen Euro. Tatsächlich ausgegeben wurden aber am Ende allenfalls 30 Millionen Euro jährlich. Und das bedeutet, dass längst nicht alles realisiert wurde, was zuvor beschlossen worden war. Man könnte auch sagen: Da sind mit schöner Regelmäßigkeit Luftnummern produziert worden, die nur den Etat aufgeplustert, aber nichts verbessert haben. So, nur so konnte es passieren, dass beispielsweise Investitionen in Brandschutz seit acht Jahren (!) nicht angepackt sondern immer wieder ins nächste Haushaltsjahr geschoben wurden.
Vor diesem Hintergrund hatten sich die Stadtratsfraktionen von CSU, SPD, FDP/Die Unabhängigen und Junges Bayreuth für „ehrliche“ Haushalte ausgesprochen. In denen nur steht, was man auch wirklich abarbeiten und also erledigen kann. Auch, weil die Regierung von Oberfranken diese selbst verursachten Bläh-Haushalte in schöner Regelmäßigkeit kritisiert hatte. Denn im Grundsatz gilt: Rein kommt in einen kommunalen Etat nur das, was mit großer Wahrscheinlichkeit auch Haushaltsjahr umgesetzt und abgerechnet werden kann. Ein Grundsatz, den im übrigens jede Familie beherzigt: Man repariert am eigenen Haus das, was dringend ist und auch tatsächlich abgearbeitet werden kann. Alles andere rückt nach hinten.
In diesem Jahr standen bei der Einbringung des Etats Investitionen von rund 90 Millionen Euro im Haushalt – die später erst bekannt gewordenen Kosten für die Sanierung der Gewerblichen Berufsschule, die mit über 100 Millionen Euro zu Buche schlagen wird, ist dabei noch nicht eingerechnet. Diese Investitionen ergeben sich aus neuen Beschlüssen und Projekten, die aus den Vorjahren geschoben wurden. Insofern war und ist jedem klar: Einen solchen Berg von Projekten kann die Stadt nie und nimmer abarbeiten und realisieren. Zumal etwa das Hochbauamt angesichts einer Fülle von Vorhaben schon jetzt kaum noch nachkommt: Immer mehr Investitionen bei reduziertem Personal – das kann nicht gut gehen.
Weil Merk-Erbe sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, geweigert hatte, die 25-Millionen-Deckelung anzuwenden und eine Priorisierung der Projekte seitens der Stadtverwaltung vorzunehmen, machten dies nun die Stadtratsfraktionen. Und sie machten es gründlich. Bald jede Haushaltsposition im Bereich Schulen, Kitas und sonstige Bauvorhaben wurde hinterfragt und, wo es ging, auch korrigiert. Es war dies das Bestreben, Haushalts-Ehrlichkeit zu praktizieren. Sie wissen schon: Drin ist nur das, was sicher umgesetzt werden kann. Draußen ist, was im laufenden Jahr nicht geschultert werden kann. Und wenn dann doch noch Luft wäre für das eine oder andere Projekt? Dann, sagen die Vertreter der Gestaltungsmehrheit, biete ein solcher Etat noch immer genügend finanzielle Puffer, um auch Unvorhersehbares noch zu tun.
Das Procedere war mühsam. Und vor allem für Baureferentin Urte Kelm anstrengend. Weil sie praktisch jedes Vorhaben erläutern, begründen und zeitlich einordnen musste. Buchstäblich vor laufenden Kameras. Allerdings hätte man das auch schon viel früher und vor allem: besser machen können. Dann, wenn die OB sich an den Beschluss der Stadtratsmehrheit gehalten hätte. Was sie nicht getan hat. Im Ergebnis führte das zu bisweilen verzweifelten Szenen. Eine Baureferentin, die sich ein ums andere Mal belehren und kritisieren lassen musste. Und der einzelne Ratsmitglieder offen das Misstrauen aussprachen. Sätze wie „Genau das Gleiche haben Sie uns vor einem Jahr schon einmal hoch und heilig versprochen. Aber passiert ist dann nichts!“ fielen nicht nur einmal. Zudem handelte sich die Baureferentin vom Finanzreferenten Rubenbauer öffentlich Widerspruch ein. Verwaltungschefin Merk-Erbe schaute dem Treiben auch auf der Referentenbank fast teilnahmslos zu. Und ließ Kelm immer wieder im Regen stehen. So, als ginge sie das alles nichts an.
Dabei hätte man das Problem ganz einfach lösen können. Im Vorfeld, vertraulich, meinethalben im Dreiergespräch zwischen OB, Finanzreferent und Baureferentin, wenn es zwischen beiden offenbar viel Abstimmungsbedarf gibt. Das hätte den Protagonisten viel Mühe und Ärger erspart. Führungsqualität, Frau Oberbürgermeisterin, sieht anders aus!
Und noch etwas kristallisierte sich bei dieser denkwürdigen Sitzung , eher beiläufig, heraus. Merk-Erbe hatte offenbar vor, das Thema Betriebskonzept und Personalkonzept für das Großprojekt Friedrichsforum dadurch aus dem Wahlkampf herauszuhalten, indem sie Gutachten, die schon fertig auf dem Tisch liegen sollen, erst lange nach der Wahl diskutieren lassen will. Warum? Weil da, nach der abenteuerlichen Verteuerung im Baubereich (aktuelle Schätzung: statt 55 Millionen Euro nun über 85 Millionen Euro), nachdem die Zuschussfragen bzw. -höhen weiter ungeklärt sind und sich die Inbetriebnahme der Kulturstätte um mindestens drei Jahre verzögert hat, noch eine zweite Hiobsbotschaft droht. Bislang ist über das Personalkonzept für das neue Friedrichsforum nichts bekannt geworden. Zu Beginn des Verfahrens hieß es lediglich, dass man das Friedrichsforum in etwa mit der gleichen Zahl von Angestellten würde bespielen können wie die frühere Stadthalle. Das freilich ist Mumpitz und geht an der Wirklichkeit vorbei. Eine Halle, die an vielen Tagen zeitgleich mit zwei oder drei Veranstaltungen bespielt werden soll, braucht eben auch deutlich mehr Personal als die Stadthalle früher. Dann zumal, wenn dieses Friedrichsforum zu einem Leuchtturm der Bayreuther Kulturszene werden soll.
Die Tatsache, dass die Oberbürgermeisterin „mauert“, kann nur eines bedeuten: Da kommt auf die Stadt eine weitere bittere Pille zu. Ich vermute mal, dass es für einen reibungslosen und hochprofessionellen Betrieb der multifunktionalen Spielstätte so viel Personal braucht, dass das Unternehmen Friedrichsforum den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt so auf absehbare Zeit ein jährliches Defizit in Millionenhöhe bescheren könnte. Wenn das aber so ist, dann, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, ist das eine Information, die man – Wahlkampf hin oder her – nicht zurückhalten darf. Die Bürgerinnen und Bürger schließlich müssen das alles bezahlen. Und sie haben daher auch das Recht zu erfahren, was auf sie zukommt. Deshalb: Raus mit der bitteren Wahrheit, Frau Merk-Erbe, und zwar vor der Wahl!