Wie war mein Jahr 2020?
Es war herausfordernd…
…immerhin bin ich, erstmals überhaupt, aus freien Stücken als Kandidat bei einer politischen Wahl angetreten. Und das war in der Tat eine besondere Herausforderung. Bei der OB-Wahl habe ich, da braucht man nichts schönreden, mit 2,3 Prozent ein desolates Ergebnis eingefahren. Letzter Platz – das musst du erst einmal verkraften, verarbeiten, analysieren. Das stellt man sich, stellt die eigenen Positionen in Frage, da plagen dich Zweifel, da bist du maßlos enttäuscht. Aber da musst du dich auch stellen – und die Niederlage eingestehen. Das habe ich getan. Niederlagen gehören nun mal, wie die ungleich süßeren Siege, zu einer Wahl dazu; dessen war ich mir bewusst, dessen bin ich mir bewusst. Die Gefahr einer Niederlage sollte aber niemanden abschrecken, sich zu engagieren, den Hut in den Ring zu werfen und demokratische Herausforderungen zu suchen. Demokratie lebt vom Mitmachen, von Beteiligung, von Engagement.
Bei der zweiten Wahl – der Stadtratswahl – hat es hingegen geklappt. Ich bin nun also Stadtrat in Bayreuth. Und ich empfinde das noch immer als große Herausforderung und als Geschenk, die Geschicke dieser Stadt aktiv mitbestimmen zu dürfen. Auch acht Monate nach dem Amtsantritt im Mai ist mir vieles noch neu, einiges noch fremd; und ja: Manches ist auch überflüssig, überdreht, nur scheinbar wichtig und mitunter auch unverständlich. Was vermutlich alles normal ist, wenn Menschen zusammenkommen. Viel wichtiger aber ist es, sich einbringen zu können, wenn es um die Zukunftsthemen Bayreuths geht. Mein erstes Fazit der Stadtratsarbeit: Spannende Aufgabe – immerhin geht es um unsere Stadt…
Es war auch traurig…
…weil einige gute Freunde und Bekannte viel zu früh verstorben sind. Weil es mich sprachlos macht hat, wie gnadenlos schlecht Donald Trump das Präsidentenamt in den USA ausfüllt. Weil erstmals seit 70 Jahren die Bayreuther Festspiele ausgefallen sind. Weil es mich entsetzt, wie arrogant und unvernünftig viele Menschen auf die Corona-Pandemie reagiert haben. Weil viele liebgewordene Gewohnheiten (vorübergehend?) auf der Strecke bleiben und unzählige Begegnungen ausfallen mussten.
Es gab zahlreiche glückliche Momente…
…beispielsweise sind mein direktes Umfeld und ich selbst bisher von Corona verschont geblieben. Ich bin auch glücklich darüber, dass die meisten Menschen auch in schwierigen Zeiten sich solidarisch verhalten und vernünftig bleiben. Glücklich macht mich, dass ich auch in diesem Jahr wieder viele Begegnungen mit Menschen hatte, die mich angespornt, bereichert, beglückt und weitergebracht haben. Solche Begegnungen geben Kraft, Zuversicht, Hoffnung. Glücklich bin ich auch deshalb, weil ich noch immer als (freier) Journalist tätig sein und mich dabei auf Themen aus Stadt und Region spezialisieren und mit der Agentur gmk an ECHT OBERFRANKEN ein spannendes Magazinprojekt auf die Beine stellen kann. Ein kleines Glück war es schließlich, wie Bayreuth auf den Ausfall der Festspiele reagiert hat und was zahlreiche Aktive trotz Corona noch alles auf die Beine gestellt haben. Und ja: Es ist auch beglückend, dass meine Familie und ich gemeinsam viel erlebt haben.
2020 war aber auch unterirdisch…
…ich sage nur Corona! Zigtausende von Toten und Kranken. Geplatzte Träume, Karriereaus, Insolvenzen. Arbeitslosigkeit, Einschränkungen, Kulturstopp. Eine gewaltige Bewährungsprobe für Politik und Gesellschaft. Aber auch, bei allem Leid, das: Dankbarkeit für eine im allgemeinen hervorragende Krisenbewältigung, für eine Demokratie, die sich bewährt hat, für wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Debatten, für eine herausragende Arbeit vieler systemrelevanten Branchen (Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Verkäuferinnen und Verkäufer, Busfahrerinnen und Busfahrer), für die Arbeit vieler Politikerinnen und Politiker von der Bundes- bis zur regionalen Ebene. Deutschland hat diese Krise bislang viel besser als fast alle anderen Länder gemeistert.
Besondere Momente?
Da war dieser wunderbare Abend im Restaurant Die Graifen in Traben-Trabach. Feine Küche, wunderbare Weine, eine wunderbare Auszeit mit Frau und Tochter an der Mosel.
Oder der 25. Juli. Zwar ohne Festspiele, aber doch mit der Liveübertragung aus der Wagner-Villa in den Wahnfried-Garten.
Oder die Radfahrten durch die menschenleere Stadt während des ersten Lockdowns und die abendliche Fototour als Journalist in der ersten Phase der nächtlichen Ausgangssperre. So still erlebt man Bayreuth sonst nur selten.
Der Blick voraus?
Klar, Corona wird uns noch geraume Zeit in Bann halten. Gleichwohl setze ich darauf, dass vieles wieder möglich sein wird. Endlich wieder Basketball in der Halle, endlich wieder ein Biergartenbesuch mit mehreren Freunden, endlich wieder Festspiele, endlich wieder Kulturveranstaltungen, Vereinstreffen, Diskussionsrunden „in echt“ statt via Zoom. Und irgendwann will ich auch wieder das Meer rauschen hören. In Griechenland, Italien oder Portugal. Wäre doch nun wirklich nicht zu viel verlangt, oder?