Es gilt das gesprochene Wort!
Inhalt freigegeben direkt nach der Haushaltsrede im Stadtrat am 15.2.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Referentinnen und Referenten, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bayreutherinnen und Bayreuther,
der städtische Haushalt 2023 ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Ein Haushalt, für den wir jede Menge öffentliche Kritik erfahren werden. Warum? Weil wir die finanziellen Belastungen für die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger auf ein Rekordniveau treiben. Indem wir zu viele Großprojekte auf einmal schultern wollen, die unsere Finanzlage nicht nur belasten, sondern überfordern. Gerade bei sinkenden Steuereinnahmen, steigenden Anforderungen und einer besorgniserregenden Dringlichkeitsliste im Hochbaubereich, auf der vor allem Schulen gelistet sind, die seit Jahren, teils Jahrzehnten auf Sanierungen warten – ich nenne an dieser Stelle nur die Sanierung des RWG oder des WWG.
Wenn wir heute den Haushalt beschließen, beschließen wir ein Investitionspaket von gut 134 Millionen Euro allein für dieses Jahr. Nun ist es zwar richtig und notwendig, dass die Stadt gerade in schwieriger Zeit in die eigene Infrastruktur investiert. Weil diese Infrastruktur den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommt, den Kleinkindern, den Schülern, den Erwachsenen und den Alten, den Kranken und Gesunden, den Armen und den Reichen, den Betrieben, Firmen und Unternehmen. Aber wir sind mit diesem Investitionspaket an einem Punkt angekommen, der uns alle wachrütteln sollte. Weil wir, wenn wir so weitermachen, in der Sackgasse landen werden.
Es reicht eben nicht mehr, nur diesen Haushalt im Blick zu haben, der ja schon genügend Alarmzeichen liefert: Liquide Mittel? Gehen gegen Null! Steuereinnahmen? Sinken weiter! Schuldenaufnahme? Wird wachsen! Unerledigte Aufgaben: Jede Menge! Spielräume? Welche Spielräume! Aber damit ist das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht, denn die die schlimmsten finanziellen Belastungen treffen uns erst in den Jahren 2024 bis 2026. Für 2024 stehen schon heute Verpflichtungsermächtigungen von insgesamt rund 180 Millionen Euro im Raum, die wir über Kredite finanzieren müssen. Dieses Geld brauchen wir, um das Paket an Großinvestitionen zu schultern, die wir mit wechselnden Mehrheiten hier im Stadtrat beschlossen haben. Genannt seien nur den Neubau der Gewerblichen Berufsschule, das Friedrichsforum, das RIZ, das Stadtarchiv, die Graserschule…
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden dieses Paket nicht schultern, ohne Gefahr zu laufen, dass uns die Regierung spätestens im kommenden Jahr die Daumenschrauben ansetzt. Es sei denn, die Staatsregierung hätte ein Einsehen und erhöht endlich die Zuschüsse für den Neubau der Gewerblichen Berufsschule so massiv, dass wir uns diese Sanierung leisten können. Vielleicht nimmt der Freistaat zudem das WWG endlich unter seine Fittiche. Und vielleicht bezahlt endlich auch der Bund für Aufgaben, die er den Städten aufbürdet, ohne freilich einen Ausgleich für die eigens zu schaffenden Stellen zu gewähren. Wäre wunderbar, allein: Mir fehlt der Glaube.
Ich befürchte in der Tat, dass wir mit unseren Belastungen alleine gelassen werden. Was auch deshalb gefährlich wäre, weil wir dann keinerlei finanziellen Spielraum mehr haben für neue und drängende Projekte, für Notfälle oder Unvorhergesehenes. Meine Damen und Herren, mir fehlt offen gestanden die Vorstellungskraft, wie wir in einer solchen Lage überhaupt noch die Jahrhundertaufgabe Klinikumneubau, die Sanierung oder den Neubau des Eisstadions oder die dringenden Investitionen in den Klimaschutz schaffen sollen.
Was ist gut an diesem Haushaltsentwurf?
Positiv bewertet unsere Fraktion das gemeinsame Bemühen, die Sanierung von Schulen ein gutes Stück voranbringen. Richtig ist auch, dass wir bei den Kita- und Hortplätzen nachlegen. Aber machen wir uns nichts vor: Im Grunde reicht das, was wir finanzieren und tatsächlich abarbeiten können, hinten und vorne nicht aus. Wenn Kinder weiter in feuchten Klassenzimmern oder in dunklen Kellerräumen unterrichtet werden müssen, wenn Schulen seit Jahren gegen Schimmel kämpfen und sogar Brandschutzauflagen nur schleppend erfüllt werden, dann ist das nicht hinnehmbar. Deshalb muss die Sanierung unserer Schulen im Interesse unserer Kinder in den kommenden Jahren noch stärker vorangetrieben werden. Alles andere wäre buchstäblich ein Armutszeugnis.
Wir sehen angesichts unserer Finanzlage nur zwei Wege, die uns langfristig aus der dramatischen Lage herausführen, in der die Stadt steckt: Entweder wir schaffen es – siehe oben – für die Großprojekte, die uns finanziell am meisten knebeln, zusätzliche Zuschüsse an Land zu ziehen. Oder – und damit sind wir bei der wahrscheinlicheren Variante – wir müssen ab sofort bei allen Großprojekten im Hochbau den Sparstift ansetzen. Wir haben das als Fraktion – leider vergeblich – versucht, haben schon bei dem Bekanntwerden der Summen, die es für die Sanierung und den Neubau der Gewerblichen Berufsschule braucht, davor gewarnt, dass uns dieses große Projekt überfordern wird. Wir sind auch mit dem Versuch gescheitert, zu Beginn der Bauphasen nochmals nachzusteuern. Nicht, weil wir dieses Vorhaben nicht wollten, sondern weil uns ein Vorhaben, das nach derzeitigem Stand rund 132 Millionen Euro kosten soll, aber vermutlich am Ende doch wieder viel teurer werden dürfte, in der aktuellen Lage schlicht überfordert. Das ist die bittere Wahrheit. Und weil massive Kostensteigerungen nicht nur bei der Berufsschule, sondern bei fast allen Bau-Investitionen längst nicht mehr Ausnahme, sondern Regel sind, müssen wir endlich die Stellschrauben neu stellen. Fangen wir doch einfach mal zwei, drei Stufen kleiner an, beschränken wir uns bei allen Projekten aufs Notwendige, anstatt uns immer gleich auf den Gold-Standard zu kaprizieren. Das ist nicht schön, aber leider notwendig. Weil es uns Geld spart. Geld, das wir an anderer Stelle dringend brauchen.
Alles auf den Prüfstand
Wir müssen bei unserer dramatisch schlechten Haushaltslage alles (nochmals) auf den Prüfstand stellen. Alles! Wir müssen überprüfen, wo wir sparen, reduzieren, strecken können. Wir müssen abermals auch die Frage stellen, ob es uns, auch wenn es anfangs Geld kostet, am Ende nicht Geld sparen würde, Aufträge und Projektplanungen nach außen zu vergeben. Wir müssen Kostendeckel vorgeben und empfindliche Strafen verhängen, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden. Ebenso müssen wir, im Interesse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unser Personaltableau überprüfen und Belastungen ausgleichen. Anders gesagt: Nur wenn es uns – und das meint Stadtverwaltung und Stadtrat gleichermaßen – gelingt, unser offensichtliches Ausgabenproblem in den Griff zu bekommen, werden wir es uns in Zukunft leisten können, weiterhin die segensreiche Arbeit von Vereinen, Verbänden und Organisationen im Rahmen der freiwilligen Leistungen, die Bayreuth auszeichnen und lebenswert machen, zu unterstützen. Und für die, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir uns als Fraktion FDP/DU/FL immer einsetzen. Auch wenn wir uns nicht dagegen sperren werden, auch diese freiwilligen Leistungen gemeinsam und im Detail zu durchleuchten.
Das alles bedeutet Arbeit, das bedeutet auch Ärger. Weil ein solcher Prozess schmerzhaft ist. Nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für den Stadtrat und am Ende auch für die Bürgerinnen und Bürger. Und doch müssen wir diesen Weg gehen. Insofern begrüßen wir es ausdrücklich, dass schon in Kürze eine interfraktionelle Arbeitsgruppe neue Rahmenbedingungen für eine strukturelle Haushaltskonsolidierung erarbeiten und dafür die finanzielle Lage der Stadt durchleuchten soll. Je früher wir beginnen und je ernsthafter wir diese Aufgabe angehen, desto besser für die Stadt.
Wo es sonst noch beim Haushalt 2023 hakt
Was uns als Fraktion an diesem Haushaltsentwurf sauer aufstößt ist der Umstand, dass wir viel zu wenig Geld aufwenden für Maßnahmen, die sich zum einen schnell amortisieren und die zum anderen dauerhaft auf unser Ziel einzahlen, Bayreuth bis 2040 klimaneutral zu machen. Wo ist das Sofortprogramm zur Ausrüstung städtischer Gebäude mit Photovoltaikanlagen? Wir prüfen und prüfen, aber es geschieht nichts! Warum geht es nicht zügig voran bei der Umrüstung von Lampen und Leuchten auf LED? Warum treiben wir nicht die energetische Sanierung unserer Schulen viel stärker voran? Na klar, das kostet zuerst Geld. Aber im zweiten Schritt spart es uns Geld. Je früher wir damit anfangen, desto größer die zu erwartenden Einspareffekte. Dabei haben wir ja einen Fahrplan – unser integriertes Klimaschutzkonzept. In diesem Haushalt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, steckt viel zu wenig erkennbarer aktiver Klimaschutz. Damit uns und den Bürgern in Zukunft besser vor Augen geführt wird, wie es um unser aller Klimaschutz-Engagement steht, werden wir beantragen, dass ab 2024 alles, was an Investitionen in Klimaschutz einzahlt, separat im Haushalt ausgewiesen wird. Zudem hätten wir uns gewünscht, dass es mit der Digitalisierung deutlich schneller vorangeht. Denn Digitalisierung ist kein Teufelszeug, sondern eine Erleichterung für die Bürger und die Verwaltung selbst. Obendrein zahlt die Digitalisierung auch auf unser Klimaziel ein.
Ablehnen oder Zustimmen – diese Abwägung ist uns nicht leichtgefallen. Weil der Haushalt uns und künftige Generationen in eine bedrohliche finanzielle Schieflage bringt und kein Ausrufezeichen setzt in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung. Andererseits sind wir nach extrem schwierigen Jahren und allen Corona-, Kriegs- und Teuerungsfolgen zum Trotz in diesem Jahr noch auf einem Kurs, den man zwar sehr kritisch sehen muss, der uns (und wohl auch der Regierung von Oberfranken) aber gerade noch vertretbar erscheint. Weil die Sanierung von Schulen und der Ausbau von Kita- und Hortplätzen vorangeht und die Investitionen in unsere Infrastruktur ausgebaut werden. Und weil wir alle hier in diesem Gremium jedem „Weiter so!“ den Kampf angesagt haben.
Am Ende haben wir uns deshalb für eine Zustimmung zum Haushalt entschieden. Weil wir, wenn eine Mehrheit diesen Haushalt jetzt ablehnen würde, auch noch die guten Ansätze in Gefahr bringen würden, die in diesem Etat stecken. Das Ja zum Haushalt 23 ist für uns aber verbindlich daran gekoppelt, vor allem Großprojekte wie die Gewerbliche Berufsschule oder das Stadtarchiv baldmöglichst nochmals auf den Prüfstand zu stellen. Nicht, weil wir diese Projekte verhindern wollten, sondern um den finanziellen Kollaps zu verhindern.
Schlussbemerkung: Am Ende möchte ich namens der gesamten Fraktion all denen Dank sagen, die am Zustandekommen dieses Haushalts mitgewirkt haben, insbesondere unserem Finanzreferenten Michael Rubenbauer und seinem Team. Unser Dank gebührt aber auch allen übrigen Dienststellen und Referaten, die mit ihren Ideen und Taten, mit viel persönlichem Einsatz und Kreativität den Haushalt erst zu dem machen, was wir uns wünschen: ein umfassendes Maßnahmenpaket als Basis für die Fortentwicklung unserer schönen Stadt.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, die Fraktion FDP/DU/FL stimmt dem Haushalt 2023 zu.
Gert Dieter Meier