Wenn man mal, für einen Moment, die Länge einer Debatte als Gradmesser für die Bedeutung eines Themas wertet, dann hatte der Stadtrat am Mittwoch etwas sehr Wichtiges zu besprechen. Rund zwei Stunden lang ging es um Radentscheid und Mobilitätswende. Ein Thema, dem sich schon die neue Spitze der Stadtverwaltung nebst Fachabteilungen in den letzten Wochen und Monaten sehr ausführlich gewidmet hatte. Und dem sich nun auch, vorläufig final, der Stadtrat widmen musste. Es galt, ein Paket zu schnüren, das einerseits den Forderungen des Radentscheids gerecht wird, mithin den Einstieg in eine Mobilitätswende (Stichwort Klimaneutralität) einläutet, das andererseits aber in Zeit klammer Stadtkassen bezahlbar bleibt. Es ging also, um einen Kompromiss.
Um diesen Kompromiss zu erzielen, verhandelte die Stadt mit Bürgermeister Andreas Zippel an der Spitze mit dem Radentscheid. Dazu hatte der Stadtrat die Verwaltung im Ferienausschuss des Stadtrats aufgefordert. Seinerzeit war schon ein Basispaket „Radverkehr“ geschnürt worden, das der Initiative Radentscheid freilich nicht weit genug gegangen war. Also wurde jetzt nachverhandelt, seitens der Stadt nachgelegt.
Der Radentscheid verhandelte aber auch mit Vertretern des Stadtrats. Es gab zwei Sitzungen (online, wegen Corona), die jeweils mehr als zwei Stunden dauerten. Ich habe für die Fraktion Fraktion FDP/DU/FDL an diesen zwei Diskussionsrunden teilgenommen.
Ich persönlich habe insbesondere diesen von der Uniprofessorin Susanne Tittlbach moderierten (Online-)Dialog zwischen einzelnen Vertretern des Stadtrats und des Radentscheids als zielführend, wichtig und ernsthaft empfunden – sozusagen beispielhaft dafür, wie man einem breiten bürgerlichen Engagement seitens des Stadtrats begegnen sollte. Dass am Ende dieses Prozesses viel weniger herausgekommen ist wie sich zunächst abgezeichnet hat, ist allerdings doch ein Stückweit enttäuschend. Da brauchen wir nicht drumherum zu reden. Das bremst denn auch meine gerade erwähnte Euphorie bezüglich der Entscheidungsfindung doch wieder ein gutes Stück ab. Auch in unserer Fraktion gab es keine einheitliche Linie: Zwei Fraktionsmitglieder waren für eine große Lösung, drei Mitglieder lehnten diese am Ende ab.
Ich hätte mir gewünscht, dass wir unsere eigenen Ziele in Sachen Mobilitätswende höher stecken als jetzt im Stadtrat geschehen. Zumal es dabei weniger darum ging, fixe Punkte in Euro oder km zu definieren, sondern darum, mutige Zielmarken zu formulieren – also um eine Art Selbstverpflichtung für die Zukunft – immer unter der Maßgabe, dass diese Ziele auch immer wieder überprüft werden und finanzierbar sein müssen.
Ich erinnere nochmal daran, dass wir als FDP/DU/FL im Ferienausschuss eine Vertagung der Diskussion um das weitere Vorgehen zum Radentscheid abgelehnt hatten. Wir sind vielmehr dem Vorschlag der Stadtverwaltung gefolgt, zunächst sicher einzutüten, was alle wollen: Eine deutliche Verbesserung des Radverkehrs in dieser Stadt. Wir haben damit aber auch die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass damit das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht sein muss, sondern dass es weitere Verhandlungen geben müsse.
Ich habe deshalb, gemeinsam mit Klaus Wührl-Struller (Grüne) und Frank Hofmann (BG) einen interfraktionellen Antrag gestellt, der aus dem Dialog mit dem Radentscheid heraus entwickelt wurde. Dieser Antrag wäre auch vom Radentscheid gebilligt worden – und hätte sichergestellt, dass mit diesen Beschlüssen ein möglicher formeller Bürgerentscheid Anfang kommenden Jahres verhindert wird.
- Das sind die Forderungen aus dem Antrag:
- Die Stadt Bayreuth setzt sich das Ziel, bis zum Jahr 2026 ihre Investitionen in den Radverkehr sukzessive von derzeit 12,78 Euro pro Einwohner/Jahr auf 30,00 Euro pro Einwohner/Jahr zu erhöhen. Als Investitionen in den Radverkehr gelten Kosten für Um- und Neubaumaßnahmen von Radinfrastruktur, externe Planungskosten, Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Service sowie Personalkosten.
- Im Jahr 2023 werden die Investitionen evaluiert und entschieden, ob das Ziel von 30 Euro beibehalten wird.
- Bei allen relevanten Entscheidungen und Prozessen, insbesondere bei der Planung und Umsetzung von Baumaßnahmen, wird der Rad- und Fußverkehr gegenüber dem motorisierten Verkehr künftig priorisiert.
- Die Stadt Bayreuth setzt sich das Ziel, bis 2026 15 km Radwege neu oder umzubauen. Umgebaute Radwege werden nur gezählt, wenn durch die Umbaumaßnahmen eine deutliche Verbesserung für den Radverkehr erreicht wird.
- Die Verwaltung wird beauftragt, die im September 2020 eingebrachten
Vorschläge der Initiative Radentscheid gegenüber der Verwaltung zum
Sofortprogramm zügig zu planen und umzusetzen.
- Die Verwaltung wird beauftragt, den Entwurf einer Fahrradabstellsatzung
vorzulegen. Der Entwurf soll der Mustersatzung des ADFC Bayern
folgen.
Dieses Paket ging vielen Mitgliedern des Stadtrats offenbar zu weit, weil im Volumen zu teuer. Deshalb wurde der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Eine Niederlage also für uns, für mich? Kann man so sehen, muss man aber nicht. Denn zum einen ist das Thema jetzt in den Köpfen drin. Und Bewegung in den Köpfen ist eine gute Voraussetzung für Zukunft. Zum anderen wurde ja tatsächlich einiges in die Wege geleitet für eine Verbesserung des Radverkehrs. Zudem können die Initiatoren des Radentscheides sich zukünftig im Dialog mit den Radverbänden und der Stadtverwaltung einbringen, wenn es um die Zukunft des Radverkehrs geht.
Insofern: Schade drum, dass wir mit unserem Antrag gescheitert sind. Aber so ist das in der Demokratie – es entscheidet die Mehrheit. Selbstverständlich akzeptiere ich diese Mehrheitsentscheidung.